Andachten

06. November 2023

Die Welt ist kaputt:
An(ge)dacht im Dezember

Pfarrerin Katharina Eßer

Die Welt ist kaputt. Die Welt hat Krieg. An so vielen Orten wird gekämpft. So viele Menschen sind mit anderen Menschen verfeindet. Die Nachrichten sind zu kurz, um alle Kampfherde zu benennen. Unsere Seele ist zu klein, um alle diese Nachrichten aufnehmen zu können. Wenn ich auch nur versuche, eine dieser Geschichten politisch und emotional zu durchdringen, komme ich an meine Grenzen. Und täglich kommen neue Bilder und Nachrichten dazu. Ungeschützt prallen sie auf meine Netzhaut, dringen sie in mein Ohr, poltern durch die Atemwege in den Bauch hinein. Und fressen sich weiter durch das Herz in die Seele.

Seele droht abzustumpfen.

Die Welt ist kaputt. Und ich komme nicht hinterher. Ich versuche zu verstehen. Versuche die verschiedenen Positionen in mir ins Gespräch zu bringen. Wäge ab. Suche nach Hintergründen. Bin empört über falsche Darstellungen, über den Missbrauch von Medien und Religion. Verzweifle an der Gewalt. Ja, ich gehöre auch zu denen, die gehofft hatten, so etwas – vernichtender Antisemitismus, Krieg in Europa und so vieles mehr – kann und wird nie wieder geschehen. Wie blauäugig.

Ich will mich verkriechen. Unter die Decke. Nichts sehen, nichts hören müssen; um etwas dazu zu sagen, fehlen mir die Worte. Finster ist es. Selbst die Tränen sind alle. Ich denke an meine Kinder, an ihre Zukunft, wie wird sie aussehen? Wird die Welt sich wieder erholen? Wie viele Opfer braucht es noch? Und wie viel mehr als ich hier stehen die Menschen an den Fronten durch?

Nur still, langsam und leise kommen andere Gedanken. Dann, wenn ich nicht mehr zulasse, dass die Bilder und Nachrichten minütlich auf mich einprasseln. Wenn ich das Handy einmal weglege, die Nachrichten ausschalte, die Zeitung zusammenfalte. Vielleicht unter der Decke, vielleicht ein wenig gedankenverloren am Arbeitsplatz oder wie abwesend am Küchentisch, vielleicht im stillen Gebet. Dann haben die heilsamen Worte eine Chance: Bleib mit deiner Gnade bei uns, Gott, bitte. Gnade uns! Ich brauche sie, die Gnade, als Schutzschicht um mich herum. Und als Abwehrkraft gegen das Abstumpfen. Als Mut und Tat, um für Frieden rauszugehen. Auch wenn Worte zum Trost fehlen, will ich doch nicht still sein, sondern mein Erschrecken laut herausbrüllen. Und Wahrheit suchen, im Gespräch, im Miteinander. Bleib! Bleib bei uns am Abend und am Morgen. Geh mit uns durch diese Finsternis. Denn du bist Wahrheit und Gerechtigkeit. In dir ist Frieden, ist Liebe.

Darauf vertraue ich. Daran glaube ich.

Bleiben Sie behütet!

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