Andachten

01. Oktober 2022

„Wir sind Geschöpfe und nicht die Herren der Welt“:
An(ge)dacht im Herbst

Vor einigen Jahren habe ich im Allgäu einen Almabtrieb miterlebt. Das ist ein fröhliches und farbenfrohes Spektakel. Almabtrieb, da denkt man an Folklore und regionales Brauchtum. Mir jedenfalls kam damals nicht für eine Sekunde der Gedanke, dass dieser Brauch einen tiefreligiösen Ursprung hat. Der festliche Umzug ist nichts anderes als eine Prozession zum Erntedankfest, wenn der Almsommer ohne schwere Unfälle für Mensch und Tier zu Ende gegangen ist.

Im Oktober feiern wir in unseren Gemeinden das Erntedankfest, auch in Breckerfeld. Nun sind die Weiden unserer kleinen Hansestadt zwar recht hoch gelegen, für einen Almabtrieb denn doch nicht hoch genug. Aber wie überall im ländlichen Raum gibt es auch bei uns an Erntedank alte Traditionen und Rituale. Dazu gehört das Schmücken des Altarraums mit den Gaben der Natur ebenso wie die Erntekrone. Beides hat seinen Ursprung in unserem Glauben: Die Erntegaben sind Ausdruck des Dankes an den Geber aller guten Gabe und der Bereitschaft zu teilen, was uns geschenkt wurde. Die aus Ähren gebundene Erntekrone gebührt dem, dem alle Ehre gebührt. Aber wer weiß das heute noch?

Damit schöne Traditionen nicht zu reiner Folklore werden, werden wir uns am Sonntag in einem festlichen und fröhlichen Familiengottesdienst auf den Sinn und Ursprung des Festes besinnen. Kinder spielen dabei eine große Rolle, damit wertvolle Traditionen an die nächste Generation weitergegeben werden und wir nicht vergessen, was wir sind und wer wir sind: Geschöpfe und nicht die Herren der Welt.

Das haben uns der viel zu trockene Sommer 2022 und die furchtbaren Überschwemmungen im Jahr davor deutlich vor Augen geführt. Wenn es monatelang nicht mehr regnet, verdorrt alles, am Ende auch der Mensch. Wenn Wassermassen alles mit sich reißen, haben wir nichts, was sie aufhalten könnte. Wir sind Teil dieser Erde. Was immer ihr geschieht, wird auch uns geschehen.

An uns ist es, gute Verwalterinnen und Verwalter Gottes wunderbarer Schöpfung zu sein. Ob wir dieser Aufgabe gerecht werden, ist keine Frage von Anstand und Moral, sondern längst zu der großen Überlebensfrage des 21. Jahrhundert geworden.  Wir können nicht mehr verdrängen, was wir seit Jahrzehnten wissen. So wie bisher kann und wird es nicht weitergehen. Über die neuen Wege wird man im Detail streiten können und müssen, aber die Richtung ist klar: Mehr Dankbarkeit und weniger Anspruchsdenken, mehr Vielfalt und weniger Profitmaximierung, mehr lokal und weniger global, mehr Gemeinsinn und weniger Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste. Wahrlich, alles leichter gesagt als getan. Ein fröhliches Erntedankfest ist allemal ein besserer Anfang als der drohende Zeigefinger des Besserwissers.

Als Menschen, die bereit sind, neue Wege zu gehen, stehen wir unter der tröstenden Zusage Gottes: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Gen 8, 22). Gott gibt uns nicht auf, darum sollten wir die Menschen und die Welt auch nicht dem Teufel überlassen. Erntedank – eine gute Gelegenheit, damit zu beginnen.

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