Andachten

03. März 2020

„Wenn ich mich wachen Auges umsehe, werde ich merken, dass es fünf vor zwölf ist“:

Pfarrer Thorsten Maruschke findet: „Es ist nicht egal, ob ich Verantwortung wegschiebe oder annehme.“ Foto: Kristina Hußmann

Pfarrer Thorsten Maruschke beschäftigt sich in seiner Andacht mit dem Monatsspruch des März`: "Wachet (Mk 13,17)!!"

Der Wecker klingelt und reißt mich unbarmherzig aus dem Schlaf. Nur noch Fetzen meines Traumes bekomme ich zu fassen und auch die zerfließen zwischen meinen Fingern. Die Grillparty an einem malerischen griechischen Strand, die entspannten und schönen Menschen um mich herum, die sanfte Abendsonne und die auffrischende Meerbrise, all das surrt in Sekundenbruchteilen zu einer unwirklichen Erinnerung zusammen.

Ich greife ins Leere. Taste ins Dunkel. Der Wecker klingelt. Mit jedem Mal lauter und schriller. Ich will nicht! Ich kneife verbissen die Augen zu. Das kann nicht wahr sein! Es kann noch nicht so spät sein! Aber der Wecker hört nicht auf, lässt mir keine Ruhe. Ich kann ihm nicht entkommen. „Wacht auf!“, ruft er. „Wachet! Seid wachsam! Versteckt euch nicht unter euren Kissen oder tut so, als wäret ihr nicht da; als wäret ihr nicht verantwortlich!“ Es dämmert mir: Wenn ich mich wachen Auges umsehe, werde ich mich nicht in Traumwelten flüchten können, sondern werde merken, dass es fünf vor zwölf ist. 

Wachet und seht ein: Das Meer, das sanft deine Füße umspielt, ist voller Plastikmüll aus deinen Supermärkten.

Wachet und seht ein: Für das Fleisch, das du isst, brennt der Regenwald.

Wachet und seht ein: Die Menschen am Strand sind nicht im Urlaub, sondern auf der Flucht.

Wachet und seht ein: Auch deine Freiheit steht infrage, wenn unbequeme Wahrheiten mundtot gemacht werden.

Wachet und seht ein: Hass beginnt klein – und endet tödlich.

Wachet und seht ein: Unsere Demokratie ist nur so stark wie die, die sie verteidigen.

Der Wecker klingelt. Endlich öffne ich die Augen und weiß: Es ist fünf vor zwölf. Es ist nicht egal, ob ich schlafe oder wache. Es ist nicht egal, ob ich Verantwortung wegschiebe oder annehme. Ich brauche das nervtötende Klingeln des Weckers, dem ich nicht ausweichen kann, um in der Realität anzukommen. Um zu sehen, was nicht zu übersehen ist. Um zu merken, dass ich vor meiner Verantwortung nicht davonlaufen kann.

Ich brauche den Wecker, um wirklich Christ zu sein.

Jesus Christus spricht: Wachet! (Mk 13,17; Monatslosung im März 2020)

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