Andachten

01. Dezember 2021

Die Dunkelheit verschwindet nicht – aber es wird heller:
An(ge)dacht

Die Andacht für den Dezember hat Karen Koers, Gemeinderpfarrerin der Evangelischen Lydia-Kirchengemeinde, geschrieben: Nachts kann sie nicht mehr gut schlafen. Zu schwer ist der große Bauch geworden. Das Baby tritt und dreht sich und scheint weit weniger Ruhe zu brauchen als sie selbst. Sie hört Josef neben sich leise schnarchen. „Wie soll das werden?“, fragt sie sich

„Sind wir wirklich bereit für ein Kind, noch dazu in diesen verrückten Zeiten? Wird es uns gelingen, Familie zu sein? Werde ich das überhaupt schaffen, ein Kind zur Welt zu bringen? Was ist, wenn das Baby zu früh kommt? Was, wenn es krank geboren wird? Was, wenn ich die Geburt nicht heil überstehe?“ So viele Gedanken und Sorgen. Und übermächtig ist da der Wunsch, dieses kleine Leben zu schützen und zu behüten. Ihre Unsicherheit schnürt ihr die Brust zu, die Furcht macht ihr Herz eng. Maria kommt ein altes Wort aus den Psalmgebeten in den Sinn: „Macht die Tore weit, dass der König der Ehre einziehe.“

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit.“ Während die Kindergartenkinder mit Lichtern in den kleinen Händen zu Beginn des Gottesdienstes in die dunkle Kirche einziehen, singt die Gemeinde. Mit Mundschutz zwar, aber sie singt. Gerd überlässt das Singen lieber den anderen. Er sitzt ganz hinten in der Bank. Dann ist der Weg nach draußen nicht so weit. Jeder Schritt ist mittlerweile mühsam geworden. Seine Knieoperation ist schon zum zweiten Mal verschoben worden. Es gibt Dringlicheres zu tun in diesen Tagen in den Krankenhäusern. Statt Besinnlichkeit schießen die Gedanken durch seinen Kopf: „Wie soll das alles nur weitergehen? Wann haben wir Corona endlich hinter uns gelassen?“ Die Hoffnung war so groß, dass dieses Weihnachten wieder ein großes Miteinander möglich sein würde. Doch trotz Impfstoff und Zeit, trotz Regeln und Rücksicht steigt die Zahl der Infizierten wieder an und mit ihr der Frust und die Unsicherheit. Kein Licht am Ende des Tunnels. Er seufzt. Vorne am Adventskranz brennt die erste Kerze.

Maria zündet die Kerze neben ihrer Schlafmatte an. So lässt sich das Warten in der Nacht besser aushalten. Das Warten auf den Morgen. Das Warten auf das Kind. „Macht die Tore weit...“ Sie schickt ein Gebet zum Himmel und lässt die Gedanken und Sorgen um das, was kommt, und um das, was sie nicht beeinflussen kann, in den Himmel fliegen. „...dass der König der Ehre einziehe“.

Mit den Kindergartenkindern ist Licht in die Kirche eingezogen. Die Dunkelheit ist nicht verschwunden, aber es ist heller geworden. Das alte Adventslied bringt etwas in Gerd zum Klingen von dem alten Versprechen, dass Licht sein wird und Gott uns in seinem Kind besucht und befreit - auch in diesen Zeiten. Das Ende der zweiten Strophe summt er mit: „All unsre Not zum Ende er bringt, derhalben jauchzt, mit Freuden singt: Gelobet sei mein Gott, mein Heiland, groß von Tat.“

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