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30. März 2024

„Von der Heiterkeit in schwierigen Zeiten“

Der Journalist Axel Hacke hat ein kleines Büchlein über die Heiterkeit geschrieben. Es ist ein weltliches Werk. Zu Ostern aber spielen auch im christlichen Glauben die Fröhlichkeit, das Lachen, das Heitere eine besondere Rolle. Hierüber kommen Dechant Dieter J. Aufenanger und Superintendent Henning Waskönig ins Gespräch.

Superintendent Henning Waskönig und Dechant Dieter J. Aufenanger. Foto: Fine Bosqui

Frage: Was macht Ostern eigentlich zu einem heiteren Ereignis?

Dieter Aufenanger: Der Begriff „heiter“ beinhaltet eine gewisse Unbeschwertheit, Fröhlichkeit, Unbekümmertheit. Wenn wir die Texte in der Bibel von der Auferstehung lesen, so ist der Anfang dieser Erzählung gewiss nicht „heiter“. Die Frauen gingen zum Friedhof und wollten Jesus betrauern und ihrem Kummer und Schmerz freie Bahn geben. Doch sie wurden aus ihrem Schmerz und ihren Tränen befreit, da sie die Botschaft erhielten: „Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier.“ Die Auferstehung Jesu – sein Sieg über den Tod und damit der Sieg des Lebens für alle - macht Ostern zu einem heiteren Fest.

Henning Waskönig: Diese frohe Nachricht findet sich auch in äußeren Zeichen wieder. Als die Frauen zum Grab kommen, geht gerade die Sonne auf. Das Licht bricht sich bahn. Es wird hell. Die dunklen Todesschatten büßen ihre Kraft ein. Das Osterereignis hat weltveränderte Kraft. Hiervon kündet sogar die Natur. Mich stimmt das ausgesprochen fröhlich und heiter.

Im Evangelischen Kirchenkreis heißt die Osterbotschaft in diesem Jahr: „Froh zu sein bedarf es…“

Frage: Wir leben in schwierigen Zeiten. Sollte da nicht eher - auch in den Kirchen - vom Ernst des Lebens die Rede sein?

Henning Waskönig: Der Ernst des Lebens kommt nicht zu kurz. Auch nicht bei uns in der Kirche. Natürlich leben wir in schwierigen Zeiten. Aber neben dem Ernsten gibt es immer auch das Heitere. Zuweilen sind die beiden gar nicht weit voneinander entfernt. Wir sollten bloß das eine nicht gegen das andere ausspielen. Beides hat sein Recht und seine Zeit. Oder auch seine Gleichzeitigkeit. Bei Beerdigungen beobachte ich das oft: Die Menschen weinen sich die Seele aus dem Leib. Und zugleich lachen sie aus tiefstem Herzen in Erinnerung an einen geliebten Menschen, bis ihnen die Tränen kommen. Hier mischen sich das Ernste und das Heitere.

Dieter Aufenanger: Ja, Traurigkeit und Heiterkeit liegen nah beieinander. Mir ist es zu flach und defätistisch, das Leben immer nur von schwierigen und ernsten Seiten zu betrachten. Ja, es gibt Augenblicke, längere Momente, wo alles aussichtslos erscheint – gerade dann, wenn eine Krankheit oder der Tod von lieben Menschen mich überrascht.  Das Volk Israel ist 40 Jahre durch die Wüste gezogen – allein in der Hoffnung auf Gottes Wort hin, das „Gelobte Land“ zu erhalten. Weil sie unterwegs waren, Größeres zu erhalten und die Wüste niemals ihren Zielpunkt werden ließen, konnten sie ihre Jahre in dieser trostlosen Öde überleben. Der Zug durch die Wüste gehörte zum Leben des Volkes Israel dazu. So gehen auch wir immer wieder neuem „Gelobten Land“ entgegen – auch wenn wir es nicht sehen oder daran glauben, dass es existiert. Ostern aber ist ein Garant für das „Gelobte Land“, ein Garant dafür, dass in allen ernsten und schwierigen Zeiten diese Zeiten nicht ein Dauerzustand sein werden, sondern am Ende die Hoffnung und Heiterkeit – eben Ostern, Auferstehung, Leben in Fülle – stehen. Dazu die Menschen zu ermutigen und anzuspornen, ist unsere Aufgabe. Selbst daran glauben, was ich glaube: Es gibt nach dem Karfreitag immer ein Ostern!
 

Frage: Glauben Sie, dass man die Heiterkeit als tröstliche Grundhaltung im Leben einüben kann? Vielleicht sogar in der Kirche

Henning Waskönig: Ganz bestimmt. Ein Lächeln vor dem Badezimmerspiegel am Morgen wirkt Wunder. Und es tut der Seele gut. Wie auch das Singen im Ostergottesdienst oder das traditionelle Ostereiersuchen im Garten. Die Heiterkeit der Menschen hat viele Quellen. Doch müssen diese Orte zugänglich sein und gepflegt werden. Daher lautet bei uns im Evangelischen Kirchenkreis dieses Jahr die Botschaft zu Ostern: „Froh zu sein bedarf es … wenig, und wer froh ist, ist ein König“. Das Heitere und das Fröhliche adelt uns. Wir sind für Augenblicke Königin oder König. Was aber braucht es hierfür? Meine Vermutung ist, gar nicht so viel. Eine gute Übung könnte sein, den Satz für sich zu vervollständigen: „Froh zu sein bedarf es …“.

Dieter Aufenanger: Ob man die Heiterkeit üben kann, weiß ich nicht. Doch jede und jeder sollte sie leben, wenn ihr und ihm danach zumute ist. Teresa von Avila hat einmal gesagt: Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn – wenn Fasten, dann Fasten. Damit wollte sie wohl sagen: Ist dir zum Feiern und Fröhlichkeit zumute, dann tue dies. Ist dir zum Weinen und Klagen zumute, dann tue dies. Heiterkeit darf nur nicht als Vertröstung missverstanden werden.

Henning Waskönig: Ich habe letztens den Gedanken gelesen, der Mensch sei ein Wesen von untröstlicher Heiterkeit. Mir hat das gefallen.
 

Frage: Das Lachen gehört zu Ostern dazu. Es hat etwas Befreiendes. Besonders dann, wenn es einem gelingt, über sich selbst zu lachen. Wie ist das bei Ihnen, wann haben sie zuletzt über sich selbst gelacht?

Dieter Aufenanger: Es gibt in der Kirche das sogenannte „Osterlachen“. Da wir nun 40 Tage gefastet haben und in „Sack und Asche gingen“, die Fröhlichkeit und das Lachen angesichts des Leids und des Todes Jesu „verpönt“ waren, gibt es am Ende des Ostergottesdienstes einen Osterwitz. Dieser soll die Anwesenden zum herzlichen Lachen bewegen. Damit wird einerseits gezeigt, dass nun ab Ostern die Heiterkeit, Fröhlichkeit, das Leben im Vordergrund stehen. Das Osterlachen soll andererseits auch symbolisch den Teufel und den Tod lächerlich machen: Beide werden ausgelacht, weil sie verloren haben, da wir an Ostern Auferstehung und Neuanfang feiern. Und wer lacht, zeigt seinem Gegenüber auf die sympathischste Art und Weise die Zähne. Da ich einen Hund habe, geschehen immer wieder im Laufe eines Tages Situationen mit ihm, wo ich schmunzeln, lächeln oder auch lachen muss, was er nur immer mit einem fragenden Blick beantwortet.

Henning Waskönig: Ich muss bei dieser Frage an folgende Szene denken: In einer Kirchengemeinde war ich eingeladen, um dem Ortspfarrer zum 25-jährigen Jubiläum zu gratulieren. Ich ging also zum Grußwort nach vorne und begann meine Laudatio. Nach wenigen Worten kam ein Kirchenältester auf mich zu und raunte: „25 Jahre in dieser Kirchengemeinde, nicht 25 Jahre Ordination.“ Die Gottesdienstgemeinde war amüsiert, der geschätzte Kollege auch. Bei mir dauerte es etwas, aber schließlich konnte ich über mich selbst lachen. Ich hatte mich im Anlass geirrt. Immerhin stimmten die 25 Jahre. Doch lag die Ordination, zu der ich dachte, gratulieren zu sollen, bereits noch weiter zurück.

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