19/11/2025 0 Kommentare
Über-Lebensbilder
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Über-Lebensbilder
Opa ist gestorben. Der Opa, der immer Zeit hatte für mindestens eine Runde Uno-Kartenspiel. Der so toll Klavier spielen konnte und an Weihnachten die Lieder begleitet hat, wenn alle zusammen gesungen haben. Der ihnen allen mit unendlicher Geduld das Schwimmen beigebracht hat und der selber am liebsten in Bergseen gebadet hat. Und der schnelle Autos so geliebt hat. Die Enkelkinder weinen. Opa fehlt. Sie sitzen im Wohnzimmer und denken an ihn. Sie ahnen, dass es schwer wird, sich von ihm zu verabschieden bei der Beerdigung. Sie haben eine Idee: Können wir den Sarg nicht bemalen? Können wir auf Opas Sarg nicht die Szenen verewigen, an die wir uns mit ihm erinnern? Aufschreiben, was ihm wichtig war und zu ihm passte? In ihren Köpfen entsteht ein Bild.
Zum Totensonntag laden wir zu Gottesdiensten in unsere Kirchen ein. Wir denken an die Menschen, die in diesem Jahr gestorben sind und denen wir weiter in Liebe verbunden sind. Wir zünden Kerzen an für die, von denen wir uns hier auf der Erde verabschieden mussten. Der Tag wird auch Ewigkeitssonntag genannt. Als Christen glauben wir, dass der Tod nicht das Ende ist. Wir vertrauen darauf, dass das Leben bei Gott weitergeht und unsere Lieben in seiner Ewigkeit gut aufgehoben sind.
In der Trauerhalle steht Opas Sarg. Er ist aus hellem Holz und sehr bunt geworden. Mit Farbe und Pinsel sind auf ihn die Uno-Karten gemalt. Viele Noten sind zu sehen und ein riesiges Klavier. Berge, Seen und viel Himmel in leuchtenden Farben. An der unteren Kante sind dicke Autoreifen mit goldenen Felgen zu sehen. Das Über-Lebensbild der Enkel zeigt, was Opa in die Welt eingezeichnet hat. Am Ende seines Lebens muss das Bild seines Lebens aus der Hand gegeben werden. Es wird mit in den Sarg gelegt und bestattet. Fast zu schade für das Grab.
Dieses Lebenswerk, das ein Kunstwerk war mit allem, was darin an Schönem und Schwerem, erlebt wurde, ist viel zu kostbar, um begraben zu werden, sagt Gott. „Ich habe dich bei meinem Namen gerufen; du bist mein.“ (Jesaja 43,1) Was Opa in die Welt eingezeichnet hat, geht nicht verloren. Gott nimmt es auf und vollendet es.
Der Sarg wird bestattet. Aber die Bilderstrecke des Lebens bleibt, auf dem Sarg und in unserer Erinnerung. Ein Enkelkind schluchzt: „Schade, dass Opa nicht mehr bei uns ist. Aber mit seinem neuen bunten Wagen kommt er bestimmt gut im Himmel an.
Karen Koers ist Pfarrerin der Ev. Lydia-Kirchengemeinde
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