Andachten

12. Juni 2024

„Denn diese Welt braucht uns“:
An(ge)dacht im Sommer

Jörg Bielau (Foto: Kristina Hußmann)

„Fürchtet euch nicht!“ Das ist leichter gesagt als getan! „Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ Das fällt mir persönlich noch schwerer! Das klingt für mich so wie: Hast du ein Problem? Macht nichts, das beten wir weg...

Der hier zitierte Spruch steht im Alten Testament, im zweiten Buch Mose: Das Volk Israel lebt seit vielen Generationen in der Sklaverei in Ägypten. Mose ist als Befreier auserwählt und führt sein Volk aus Ägypten durch die Wüste in Richtung Schilfmeer. Die Ägypter verfolgen die Israeliten, und diese fürchten den Tod in der Wüste.

Mose aber sagt: „Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ Daraufhin ziehen die Israeliten auf trockenem Boden durch das geteilte Meer, während es sich hinter ihnen über den Ägyptern – todbringend - wieder schließt.

Was hat diese Geschichte mit uns zu tun? Oder: Wie kann Sie in die heutige Zeit übersetzt werden? Wir stehen nicht am Ufer eines Meeres – ohne Idee, wie wir hinüberkommen sollen. Wir haben auch nicht den Feind im Rücken, der uns immer näherkommt. Hierzulande muss auch niemand aus Angst sein Haus und seinen Lebensort verlassen, alles aufgeben und flüchten. Dennoch sehe ich Parallelen: Der Klimawandel jagt hinter uns her, die Auswirkungen spüren wir beinahe täglich. Unser Sicherheitsempfinden hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Sowohl durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine als auch durch den brutalen Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel und deren Reaktion darauf mit allen möglichen Folgen, nicht nur für die Region, sondern auch weit darüber hinaus.

Auch in unserer Gesellschaft verändert sich etwas: Wir feiern 75 Jahre Grundgesetz und sehen es gleichzeitig mehr denn je in Gefahr: Dunkelbraune Gedanken werden nicht mehr nur gedacht, sondern auch ausgesprochen. In einer Nobel-Bar auf Sylt werden rassistische Parolen zu Partysongs gegrölt.

Und wir als Kirche stehen ebenfalls an diesem Punkt: Es muss weitergehen. Aber wie? Wer kennt den richtigen Weg? Wie gehen wir als Kirche mit dem Missbrauchsskandal um? Oder die Finanzkrise: Wo wird das noch enden? Sind wir als Kirche in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu fällen, damit es uns auch in Zukunft noch gibt?

Letztlich haben wir doch alle unsere eigene ägyptische Armee im Rücken und ein Meer voller ungeklärter Aufgaben für die Zukunft vor uns. Lange haben wir uns versteckt hinter unseren dicken Kirchenmauern. Solange die Kirchensteuern noch sprudelten, war das auch einfach. Darüber haben wir verlernt, uns einzumischen. Kirche verliert immer mehr an Bedeutung.

Wir müssen den Weg durch das Meer finden und - das glaube ich fest - können dabei auch auf Gott vertrauen. Aber beten allein hilft nicht. Es wird keinen Mose geben, der seine Hand ausstreckt und das Meer teilt. Aber im Vertrauen auf Gott können wir den Mut und die Kraft finden, die wir brauchen, um weiterzumachen. So kann es uns gelingen, den Weg, der vor uns liegt, zu meistern. Dazu müssen wir aus unseren Mauern ausbrechen, uns auf den Weg machen und ins Handeln kommen.

In einer Auslegung des Monatsspruchs habe ich im Internet den Satz gefunden: „Denn diese Welt braucht uns, um so zu werden, wie Gott sie sich vorgestellt hat.“

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