Andachten

01. Februar 2025

„Haben wir nicht alle einen Vater?“:
An(ge)dacht im Februar

Pfarrer Hans-Jürgen Schäfer

Von Pfarrer Jürgen Schäfer

Auf dem Evangelischen Friedhof in Haspe befindet sich ein Grab mit der hebräischen Inschrift und der deutschen Übersetzung von Maleachi 2,10: „Haben wir nicht alle einen Vater?“[1] Dieser Vers aus dem alttestamentlichen Buch Maleachi ruft uns etwas in Erinnerung, was wir gerne vergessen: Kommen wir nicht alle von dem Einen? Warum machen wir solche Unterschiede? Wozu die Gewalt untereinander? Warum gibt es statt eines friedlichen Nebeneinanders so viel gewaltvolles Gegeneinander?

 

In diesem Jahr haben wir Anfangs der Woche zum 80. Mal der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht. Bald wird es keine Überlebenden mehr geben, die von dem Grauen, das dort geschah, berichten können. Es war ein Vernichtungswille gegenüber der jüdischen Bevölkerung und anderen als unwert beurteilten Menschen.

Ich habe vor Jahren mal ernsthaft gefragt, ob Antisemitismus für uns wirklich noch ein Thema ist. Ich hielt es für ein geschichtlich überholtes Kapitel, das so nicht wieder-kehren wird. Der Rassismus in der Weimarer Republik gründete sich ja u.a. auf rassischen Überlegungen, die heute längst in die Mottenkiste gewandert sind. Oder sind sie es doch nicht? Könnte ich mich getäuscht haben? Hat das Vorurteil überlebt?

Wie habe ich mich da getäuscht! Das Vorurteil hat überlebt. Ein ukrainischer Jude wollte dieser Tage in Köln mit einer Kippa (jüdische Kopfbedeckung) auf die Straße gehen. Ihm wurde dringend davon abgeraten. Er würde bei Passanten möglicherweise wütende und ablehnende Reaktionen auslösen!

Die politische Ablehnung des Staates Israel und seines Handelns im Gazastreifen dienen heute als Rechtfertigung für eine absolut antiisraelische Haltung. Ist das auch Antisemitismus? Unabhängig wie man das Geschehene im einzelnen beurteilt: Wer den offensichtlichen Zusammenhang zwischen Überfall und Vergeltung verschweigt, der verhindert eine angemessene Beurteilung. Wie kann man propalästinensische Demonstrationen veranstalten, ohne den bewusst geplanten und absolut mörderischen Überfall der Hamas auf die Bewohner der grenznahen Kibbuzim auch nur zu thematisieren. Das Schicksal der genommenen Geiseln beschäftigt uns bis heute und hält die Wunde des brutalen Überfalls offen.

Die Hamas hat einen abgrundtiefen Hass auf Juden und ihren Staat Israel, dem sie das Existenzrecht von Anbeginn an absprachen. Es war auch nationalsozialistischer Einfluss, der die Entstehung der Muslimbruderschaft in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts beeinflusste. Ihr Judenhass war abgrundtief und vor allem politisch geprägt. Die Hamas ist einer der gewalttätigen Ableger dieser Bewegung.

Also doch Antisemitismus, blanker Judenhass! Israel soll vernichtet werden, so steht es in der Charta der Hamas. Solange sich daran nichts ändert, haben Gespräche keine wirkliche Chance. Wird sich das einmal ändern? Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es! Denn der Grabstein hat mit seiner Botschaft ja recht: Wir haben doch alle einen Vater! So jedenfalls glaube ich!


[1] Es handelt sich um das Grab des Hagener Schriftstellers Carlo Ross, Verfasser des Romans „…Steine reden nicht.“

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